Strafverfahren, in denen das menschliche Leben betroffen
ist, stellen sowohl den Strafverteidiger als auch dessen Verteidigungstätigkeit vor höchste Anforderungen.
Tötungsverbrechen
finden ihre Ursache häufig in menschlichen und sozialen Konflikten oder
besonderen Situationen, die für den Beschuldigten nicht zu bewältigen waren. Der Beschuldigte eines Tötungsdeliktes befindet sich regelmäßig in
Untersuchungshaft oder ist einstweilen untergebracht und sieht sich mithin schon
frühzeitig mit einer freiheitsentziehenden Maßnahme konfrontiert. Nicht nur die
absolute Strafandrohung für Mord (§ 211 StGB), sondern auch die für die
weiteren Tötungsdelikte (Totschlag, § 212 StGB; Tötung auf Verlangen, §
216 StGB; Fahrlässige Tötung, § 222 StGB) in Betracht kommenden Rechtsfolgen
geben dem Beschuldigten selbst bei ungeklärter Schuldfrage stets zusätzlichen Anlaß zu
größter Depression.
Ziel der Strafverteidigung muß es daher sein, entweder die drohenden strafrechtlichen Sanktionen zu vermeiden oder aber im Falle einer unvermeidbaren Bestrafung die Strafzumessung aktiv und in vertretbarem Maße mitzugestalten.
Bei der Entwicklung und Einhaltung eines klaren und tragfähigen Verteidigungskonzeptes kommt dabei der Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Mandant eine besondere Bedeutung zu. Der Mandant sollte einen Rechtsanwalt
nur dann mit seiner
Verteidigung beauftragen und als vertrauenswürdig im Mandat halten, wenn er
davon ausgehen kann, in diesem einen loyalen Vertreter seiner Interessen zu
haben, der ihn akzeptiert, ganz gleich wie vorwerfbar oder schrecklich die
vorgeworfene bzw. begangene Tat sein mag. Neben fundierten Kenntnissen im Straf- und
Strafverfahrensrecht werden daher in Schwurgerichtsver fahren im besonderen Maße
auch psychologisches Einfühlungsvermögen und soziale Kompetenz vom Verteidiger
erwartet. Solche Strafverfahren setzen den Strafverteidiger nicht nur höchsten Belastungen
aus, sondern stellen regelmäßig auch eine Herausforderung dar, der er gewachsen
sein muß.
In Schwurgerichtsverfahren erlangen nicht selten sämtliche der im Strafprozeß bekannten Beweismittel (Zeugen, Urkunden, Augenscheinsobjekte und Sachbeweise sowie Sachverständigengutachten) große Bedeutung. Neben qualifizierten Kenntnissen im Straf- und Strafprozeßrecht sind daher auch sachkundige Erfahrungen und Kenntnisse in den wissenschaftlichen Disziplinen der Psychiatrie, der Psychologie, der Rechtsmedizin und der Kriminalistik erforderlich.
Über dies finden Kapitalstrafverfahren häufig eine große Anteilnahme in der breiteren Öffentlichkeit und werden nicht selten auch von den Medien zur Kenntnis genommen. Der Mandant empfindet dies naturgemäß als Belastung. Sowohl das Strafprozeßrecht als auch die Erfahrung eines Verteidigers bieten jedoch Möglichkeiten, insbesondere in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende, die Identität des Beschuldigten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu schützen. Aber selbst wenn das große Medieninteresse als solches unvermeidlich ist - nach dem Verständnis der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Gülpen sucht der Strafverteidiger von sich aus nicht den Weg in die Medien zum Zwecke der
Selbstdarstellung und Inszenierung. Im Gegenteil: dem Verteidiger sind auch in solchen Fällen strafprozessuale Schutzmöglichkeiten des Mandanten an die Hand gegeben, die er zu dessen Interessenwahrnehmung sowie zur Wahrung eines justizförmigen Verfahrens nutzen sollte. Vielfach bedarf es auch nur des Fingerspitzengefühls des Verteidigers, um einer nicht selten anzutreffenden Vorverurteilung des Mandanten durch die Medien entgegen zu wirken.
Auch und gerade im Zusammenhang mit Tötungsdelikten gilt
einmal mehr, daß zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger eine tragfähige Vertrauensgrundlage bestehen muß. Nur ein absolutes
Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt kann es ermöglichen, den
Sachverhalt richtig zu erfassen und in einem anstehenden Verfahren die
Verteidigung sachgerecht und effizient zu gestalten. Gerade bei Tötungsdelikten
kommt es auf die Person des Täters, seine Biographie und Lebensumstände, aber
auch auf die Situationslage und Vorgeschichte an, die möglicherweise zur Tat geführt
haben. Hier ist es einmal mehr erforderlich, daß sich der Verteidiger in die
Person des Täters zum Tatzeitpunkt hineinversetzt, um dessen Motivationen und Tatanlaß
nachvollziehen. Eine uneingeschränkte Vertrauensbasis ist hierzu unerläßlich.
Es muß daher zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten
von Anfang an ein Vertrauensverhältnis in der Art und Weise bestehen, daß der Mandant
ohne seinen Verteidiger keinerlei Angaben zur Sache macht. Bei Tötungsdelikten stehen die polizeilichen Ermittlungen
bei großem öffentlichen Interesse häufig unter hohem Erfolgsdruck und sehen sich zudem mit dem Anspruch
eines schnellen Ermittlungsergebnisses konfrontiert. Nicht selten werden hierbei aber die
Rechte der Beschuldigten mißachtet oder verkürzt. Einlassungen des Beschuldigten ohne anwaltlichen Beistand, zudem oftmals unter dem Eindruck der Festnahme
oder unter dem Schock der Tat, führen vielfach zu irreparablen Schäden, die bei frühzeitiger Intervention der Verteidigung hätten vermieden oder abgemildert
werden können.
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