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"Erste Hilfe" für Beschuldigte
Beschuldigter ist ein Verdächtiger, gegen den ein Ermittlungsverfahren betrieben wird. In der Praxis ist jedoch die Abgrenzung zwischen einem Beschuldigten und einem Zeugen oft von erheblicher Bedeutung, weil einigen Ermittlungsbeamten diese Unterscheidung nicht immer gelingt und nicht selten Vernehmungen durchführen, ohne die betreffende Person über ihren Beschuldigtenstatus und ihre aktuelle Stellung im Ermittlungsverfahren aufzuklären. An diese Beschuldigteneigenschaft knüpfen sich aber umfangreiche Beschuldigtenrechte an, über die von den Vernehmungsbeamten bei Beginn einer Vernehmung zu belehren ist.
Als Beschuldigter einer Straftat haben Sie die nachfolgend exemplarisch aufgeführten Rechte, zu welchen Sie für den Fall der Fälle auch die nachstehenden Ratschläge beherzigen sollten:
- Bemühen Sie sich, ruhig, sachlich und besonnen zu handeln.
Leisten Sie keinen Widerstand bei jeglicher Maßnahme wie bspw. Festnahme, Verhaftung, Durchsuchung, Beschlagnahme, Sicherstellung oder Blutentnahme. Sonst droht u. a. nicht nur unmittelbarer Zwang, sondern die Definitionsmacht des § 113 StGB liegt oftmals bei den eingesetzten Polizeibeamten. Vermeiden Sie Diskussionen mit Vernehmungs- oder Polizeibeamten.
- Sie haben als Beschuldigter ein umfassendes Schweigerecht.
Es bezieht sich sowohl auf den Tatvorwurf, als auch auf Angaben zu Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen. Von Ihrem Schweigerecht sollten Sie stets und umfassend Gebrauch machen, bis Sie Gelegenheit hatten, sich mit einem Verteidiger über das zweckmäßige Verteidigungsverhalten zu besprechen. Weisen Sie die Vernehmungsbeamten frühzeitig darauf hin, daß Sie die Konsultation eines Verteidigers/einer Verteidigerin wünschen. Über dieses Recht haben die Vernehmungsbeamten Sie vor Beginn einer Vernehmung sogar ausdrücklich zu belehren, §§ 163a, 136 StPO.
- Hüten Sie sich stets davor, mit Polizeibeamten außerhalb einer protokollierten Vernehmung irgendwelche Gespräche zur Sache zu führen. Lassen Sie sich auch nicht in aushorchende Unterhaltungen, bspw. auf dem Rücksitz eines Polizeifahrzeuges geführt, verwickeln. Der Inhalt des lockeren "Schwätzchens" findet in Form von Gesprächsvermerken ganz sicher Eingang in die Ermittlungsakten, unterliegt damit einer späteren Beweiswürdigung und findet zu Ihrer späteren Überraschung als sog. Spontangeständnis zu Ihren Lasten eine unangenehme Berücksichtigung, obwohl Sie die eine oder andere Äußerung vielleicht ganz anders verstanden wissen wollten.
- Aus langjähriger Strafverteidigungspraxis kann nur immer wieder betont werden: Schweigen ist Gold !
Insbesondere bei schweren Straftaten ist bei einer sog. ungeschützten Einlassung jedes Wort zuviel! Ob Sie eine Aussage machen oder nicht - der Haftbefehlsantrag ist ohnehin schon in der Welt. Frühe Aussagen ohne Verteidigerkonsultation sind ein Kernstück und die Trumpfkarten der polizeilichen Ermittlungen. Die Objektivität der grundsätzlich an einer schnellen und reibungslosen Bestrafung eines Beschuldigten oder Angeklagten interessierten Strafverfolgungsbehörden sowie das Dokumentationsinteresse eines Polizeibeamten weicht oftmals erheblich von dem Erkenntnisinteresse der Verfahrensbeteiligten eines Strafprozesses ab.
Mit anderen Worten: Sie machen unnötig frühe Angaben, bei denen Sie später erst in Erstaunen und schließlich in Bestürzung versetzt werden, wenn Sie erkennen, was man alles in Ihre Äußerungen hinein interpretiert hat und wie subjektive Meinungen, Wertungen, Würdigungen und Schlussfolgerungen von Ermittlungsbeamten zu unumstößlichen Tatsachen und Beweisen werden. Aus diesen Nummern kommen Sie nicht mehr raus... weshalb schon in der Antike galt: "nemo tenetur se ipsum accusare" (frei: niemand muss sich selbst belasten).
Schweigen Sie, entziehen Sie sämtlichen Interpretations- und Manipulationsversuchen von Anfang an jegliche Grundlagen.
Beherzigen Sie daher lieber diese Regel - und gehen Sie erstmal davon aus, daß der Grundsatz "in dubio pro reo" eher eine juristische Fiktion ist - das verhindert späteren Katzenjammer.
- Sie haben das Recht, zu jeder Zeit und in jeder Lage des Verfahrens sich des Beistandes eines Verteidigers/in zu bedienen. Die Ermittlungsbeamten sind gesetzlich verpflichtet, Ihnen die entsprechende Kontaktaufnahme zu ermöglichen.
Entscheiden Sie sich zu einer Verteidigerkonsultation, warten Sie mit weiteren Vernehmungen bis zum Eintreffen Ihres Verteidigers. Insistiert man trotzdem weiter oder wird Ihnen erklärt, der Verteidiger komme später etc., schweigen Sie einfach. Diese Möglichkeit sollten Sie nutzen: je früher der Anwalt Sie beraten kann, desto eher kann er verhindern, daß Sie Fehler machen, die Sie später unter Umständen nicht mehr berichtigen können. Die Weichen für das weitere Verfahren werden bereits zu Beginn gestellt. Ggf. kann ein Strafverfahren gänzlich abgewendet oder belastenden Zeugenaussagen vorgebeugt werden. Läuft bereits ein Verfahren, kann der Anwalt ggf. wertvolle Informationen beschaffen und auswerten (im Strafverfahren erhält nur der Anwalt, nicht der Beschuldigte selbst Akteneinsicht). Der Beschuldigte kann im frühen Verfahrensstadium - da er den wahren Ermittlungsstand nicht kennt - die Tragweite von Angaben regelmäßig nicht zutreffend einschätzen.
- Körperliche Untersuchungen und erkennungsdienstliche Maßnahmen haben Sie zu erdulden, allerdings sind Sie nicht verpflichtet, hierbei aktiv mitzuwirken. Insbesondere in Fällen der Trunkenheitsfahrten müssen Sie an Untersuchungsmaßnahmen wie "Finger-Nasen-Proben" etc. nicht aktiv teilnehmen
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